In vielen Gegenden Asiens ist es gerade heiß. Viel zu heiß für die Jahreszeit. Auch letztes Jahr war das schon so, nur interessiert das die Wenigsten. Und wenn, dann gibt es Sprüche, wie „In Hamburg fühlt es sich im Sommer auch an, wie 50°“ oder „In der Sauna bringen mich 80° auch nicht um“. Zeit, sich mal mit ein paar Temperatur-Begriffen zu beschäftigen (und der sperrigste, aber vielleicht wichtigste – die „Kühlgrenztemperatur“ – kommt am Ende).
Die Lufttemperatur
Die Lufttemperatur muss mensch nicht groß erklären, denke ich. Das ist die Temperatur, die wir aus dem Wetterbericht oder vom Heizungsthermostat kennen. 30° Grad im Schatten ist die Temperatur die uns sagt, wie warm die Luft ist. Dass dies nichts darüber aussagt, wie heiß das schwarze Lederlenkrad im Auto wird, wissen wir alle. (Letzteres wäre eine Oberflächentemperatur, aber da das ist heute erstmal unwichtig, obwohl z.B. die Oberflächentemperatur des Asphalts in Städten durchaus eine Auswirkung auf die Lufttemperatur hat)
Die gefühlte Temperatur
Die „gefühlte Temperatur“ kennen wir auch aus dem Wetterbericht. Da heißt es dann z.B. -2° C, fühlt sich an wie minus 10°. Für die „gefühlte Temperatur“ gibt es verschiedene Formeln, die alle versuchen zu vermitteln, wie es sich anfühlt, wenn man draußen rumläuft und da gehen dann weitere Parameter, wie Luftfeuchtigkeit und Windgeschwindigkeit mit ein. Wenn es -2° hat, bewölkt ist und ein ordentlicher Wind pfeift fühlt sich das sch…kalt an. Wenn aber die Sonne am strahlend blauen Himmel scheint und Flaute herrscht, werden die Ärmel hochgekrempelt und das Frühlingswetter genossen weil es sich anfühlt, wie 10° plus. Wenn ich dann ober aufs Fahrrad steige und ordentlich strample frieren mir (gefühlt) fast die Ohren ab. Die gefühlte Temperatur ist also ein Indikator für das subjektive Temperaturempfinden (im Gegensatz zur eindeutig messbaren Lufttemperatur). Im englischen Sprachraum wir die „gefühlte Temperatur“ häufig i.d.R. als „windchill temperature“ bezeichnet, was ja schon Nahe legt, dass der Wind (aber eben auch die Luftfeuchtigkeit) eine Rolle spielt.
Die Kühlgrenztemperatur
Die Kühlgrenztemperatur – manchmal auch aus dem englischen Begriff „wet bulb temperature“ abgeleitet als „Feuchtkugeltemperatur“ bezeichnet wieder klar definiert: Die Kühlgrenztemperatur ist die tiefste Temperatur, die durch Verdunstungskühlung erreicht werden kann. Bei dieser Temperatur befindet sich die Wasserabgabe einer feuchte Oberfläche im Gleichgewicht mit der Wasseraufnahme der Umgebung. Das klingt kompliziert. Nehmen wir ein einfaches Beispiel: Bei 100% Luftfeuchtigkeit entspricht die Kühlgrenztemperatur der Lufttemperatur. Logisch. Wenn die Luft keine Feuchtigkeit mehr aufnehmen kann – mehr als 100% geht nun mal nicht – ist Ende. Wenn ich aber 40% Luftfeuchtigkeit habe, sieht das anders aus. Nehmen wir an, wir haben eine feuchte Oberfläche mit 30° und eine Lufttemperatur von 30°. Dann verdunstet ein bisschen von der feuchten Oberfläche und die Temperatur der Oberfläche sinkt ein bisschen. Das geht aber nicht ewig so weiter. Irgendwann (im konkreten Beispiel bei ungefähr 20°) stellt sich ein Gleichgewicht ein und die Kühlgrenztemperatur ist erreicht. Außer im Extrembeispiel mit 100% Luftfeuchtigkeit ist die Kühlgrenztemperatur immer niedriger als die Lufttemperatur. Bei 50° Lufttemperatur (und 40% Luftfeuchtigkeit) liegt die die Kühlgrenztemperatur bei etwa 40°.
Und warum ist das wichtig?
Jetzt kommt der spannende Teil. Der menschliche Körper versucht seine „Kerntemperatur“, d.h. die Temperatur der inneren Organe immer bei ungefähr 37° zu halten. Gelingt das nicht, kann das zu schweren Organschäden und letztendlich zum Tod führen. Der Hauptmechanismus zur Regulation der Körpertemperatur bei hohen Außentemperaturen ist, wie jeder aus eigener Erfahrung weiß, das Schwitzen, also Verdunstung. Womit wir wieder bei der Kühlgrenztemperatur wären. Mensch kann ab einer gewissen Kühlgrenztemperatur seine inneren Organe nicht mehr schützen. Theoretisch liegt dieser Wert bei einer Kühlgrenztemperatur von ca. 35°. In praktischen Versuchen hat sich jedoch gezeigt, dass bei hoher Luftfeuchtigkeit schon eine Kühlgrenztemperatur von 30-31° zu einer deutlich erhöhten Kerntemperatur (bei jungen, gesunden Menschen) führen kann. Wird mensch solchen Bedingungen über einen längeren Zeitraum ausgesetzt, kommt es zu Schädigungen der inneren Organe, der Zellen, zu Sauerstoffmangel und Blutgerinnungsstörungen und letztendlich dem Tod. Forscher haben 27 Wege zum Hitzetod beschrieben. Ist der Körper ohnehin durch Alter oder Krankheit geschwächt, geht es schneller. Hitze hat im Sommer 2003 zu geschätzt 70.000 Toten in Europa geführt. Etwa 19.000 hitzebedingte Tote hat es alleine in Deutschland in den Sommern 2018-2020 gegeben.
Länger anhaltende und intensivere Hitzewellen führen immer häufiger dazu, dass potentiell tödliche Kühlgrenztemperaturen erreicht werden. Vor allem im mittleren Osten, in Indien, Pakistan und Bangladesch, aber auch im Südosten der USA und in Australien werden zunehmend Kühlgrenztemperaturen von über 30° gemessen, die einen Aufenthalt im Freien, geschweige denn körperliche Arbeit z.B. in der Landwirtschaft möglich machen. Am härtesten trifft das natürlich diejenigen, die auf diese Arbeit angewiesen sind und für die ein Ventilator Luxus ist (sofern sie denn überhaupt Strom haben). Das macht ganze Landstriche mittelfristig unbewohnbar. Bis zu 1,2 Milliarden Menschen könnten davon bis 2100 betroffen sein.