Nach den eFuels wird die nächste Sau durchs Dorf getrieben: Wasserstoff, der „Champagner der Energiewende“.

Was ist Wasserstoff?

Grundsätzlich ist Wasserstoff erst mal ein Atom (mit dem Symbol H). Es ist das Atom mit der geringsten Masse – es besteht nur aus einem Elektron und einem Proton – Gleichzeitig das am häufigsten vorkommende Atom im Universum (aber nicht auf der Erde). Auf der Erde kommt das einfache H so gut wie nicht vor, sondern wenn, dann als sogenannter molekularer Wasserstoff – mit dem Symbol H– oder, ganz überwiegend wie wir alle wissen – als gewöhnliches Wasser.

Wasserstoff hat die schöne Eigenschaft, dass beim Verbrennen von H2 vor allem Wasser übrig bleibt. Damit qualifiziert sich Wasserstoff als der Energieträger für eine dekarbonisierte Welt.

Dummerweise wächst das H2 jetzt aber nicht auf Bäumen oder lässt sich irgendwo ausbuddeln. Wir müssen ihn herstellen.

Und jetzt wird’s bunt: Bei der Herstellung des farb- und geruchslosen Gases gibt es eine verwirrende Farbenvielfalt.

Wasserstoff-Farbenlehre

Grauer Wasserstoff

Der überwiegende Teil des derzeit in Deutschland produzierten Wasserstoffs wird durch die sogenannte „Dampfreformierung“ erzeugt. Dabei werden – vereinfacht gesagt – fossile Kohlenwasserstoffe (überwiegend Erdgas) umgewandelt. Dabei wird CO2 freigesetzt – genauso, wie wenn man das Erdgas verbrennen würde – tatsächlich sogar noch mehr, da die Reformierung auch Energie benötigt. Dieser Wasserstoff wird als grauer Wasserstoff bezeichnet. Für die Energiewende taugt grauer Wasserstoff natürlich nicht. Gelegentlich spricht man von braunem Wasserstoff, wenn Braunkohle als Rohstoff eingesetzt wird und von schwarzem Wasserstoff bei Steinkohle.

Blauer Wasserstoff

Blauer Wasserstoff wird, wie der graue Wasserstoff aus fossilen Energieträgern, also überwiegend Erdgas hergestellt. Das anfallende CO2 wird abgefangen und über sogenannte „Carbon Capture and Storage“ (CCS) Technologien (z.B.) unterirdisch gespeichert. Dummerweise verbraucht die Abscheidung zusätzlich Energie, es entfleucht dabei immer noch CO2 und CCS ist bei weitem noch nicht in größerem Maßstab verfügbar. Zudem wird schon bei Erdgasförderung und Transport schon eine Menge CO2 freigesetzt. Insgesamt ist die Klimabilanz damit auch eher mau. Blau taugt also auch nicht wirklich.

Wenn statt Erdgas Biogas eingesetzt wird, verringert sich der der CO2-Ausstoss (netto – das CO2 wurde theoretisch vorher durch die Biomasse der Atmosphäre entzogen), allerdings muss die Biomasse erstmal irgendwo herkommen und dafür haben wir jetzt schon nicht genug Fläche. 

Türkiser Wasserstoff

Die „Methanpyrolyse“ wurde eigentlich entwickelt, um festen Kohlenstoff zu gewinnen. Quasi als Abfallprodukt fällt dabei Wasserstoff an. Man könnte das Verfahren aber auch umdrehen und zur Wasserstoffgewinnung nutzen. Den Kohlenstoff könnte man dann wieder irgendwo verbuddeln (Wir stehen also wie bei CCS auch hier vor einem Endlager-Problem) Der so gewonnene türkise Wasserstoff wird aus Erdgas gewonnen (mit den damit verbundenen Problemen), es wird bei der Produktion kein CO2 freigesetzt, aber wir haben wieder das Problem der Erdgas-Förderung. Die Herstellung von türkisem Wasserstoff steht noch ziemlich am Anfang. Kurzfristig also auch keine Lösung.

Grüner Wasserstoff

Ein anderes bewährtes Verfahren zur Wasserstoffgewinnung ist die „Elektrolyse“. Dabei wird mit Hilfe von Strom Wasser (H2O) in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Klingt gut. Kein CO2. Aber wir brauchen dafür Strom. Kommt der Strom dafür aus dem allgemeinen Stromnetz, kommt dieser immer noch ganz grob zur Hälfte aus der Verbrennung von irgendwas fossilem, wobei CO2 freigesetzt wird. Dann ist dieser Wasserstoff auch grau. 

Stammt der Strom jedoch ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen wie Wind oder Solar, spricht mensch von grünem Wasserstoff. Grüner Wasserstoff ist wirklich klimaneutral und daher die große Hoffnung für die zukünftige Wasserstoff-Industrie. Die Herstellung von grünem Wasserstoff ist aktuell noch weniger effizient und deutlich teurer als grauer Wasserstoff.

Pinker Wasserstoff

Genauso wie grüner Wasserstoff wird pinker Wasserstoff (manchmal auch als gelber Wasserstoff bezeichnet) über Elektrolyse hergestellt, allerdings mit Atomstrom. Atomstrom gibt es in Deutschland nicht mehr und auf Grund der Risiken und der ungeklärten Endlagerfrage sieht zumindest das Umweltbundesamt pinken Wasserstoff nicht als Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung.

Weißer Wasserstoff

Es gibt noch weitere Verfahren – z.B. in chemischen Prozessen – in denen Wasserstoff als Abfallprodukt anfällt. Diese Verfahren können ganz unterschiedlich aussehen und sind daher schwer zu bewerten.

Wasserstoffproduktion heute

Der ganz überwiegende Teil (>95%) des in Deutschland – und weltweit – produzierten Wasserstoffs ist grau (oder schwarz oder braun) und für ungefähr 3% der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. In einer klimaneutralen Welt hat der nichts zu suchen.

Blauer Wasserstoff kann die CO2-Emissionen reduzieren ist aber – zumindest bei Verwendung fossiler Brennstoffe – auch nur bedingt tauglich. Die Nutzung von Biogasen ist prinzipiell klimaneutral, scheitert aber für den wirklich signifikanten Einsatz schon alleine an der verfügbaren Biomasse. Blauer Wasserstoff und die dafür notwendigen CO2-Speichermöglichkeiten sind aktuell nur in sehr geringem Masse vorhanden.

Türkiser Wasserstoff kann ebenfalls nur eingeschränkt Emissionen reduzieren und ist technisch noch nicht im großen Stil verfügbar.

Bleibt als einzige echte Option für die Zukunft grüner Wasserstoff. Die Technik ist bekannt und verfügbar allerdings im Vergleich zum grauen Wasserstoff noch sehr teuer. Auch wenn mensch hofft, mit verbesserten Elektrolyse-Verfahren noch höhere Effizienz zu erzielen, es fehlt der grüne Strom. In Deutschland wird es diesen nie in ausreichendem Maße geben, daher setzt man hier auf Sonnen- und Windreiche Länder, wie Marokko, aber auch Saudi Arabien und Australien wo potentiell genügend Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt werden könnte, um grünen Wasserstoff herzustellen, der dann mittels Pipelines oder verflüssigt mit Schiffen nach Europa und Deutschland transportiert werden könnte. Viel Konjunktiv, aber erklärtes Ziel der deutschen Wasserstoff-Strategie.     

Wasserstoff in der Zukunft

Wasserstoff wird heute in der Industrie, vor allem in der chemischen Industrie, eingesetzt. Erstes Ziel wäre also diese (weltweit) ca. 600 Milliarden Tonnen grauen Wasserstoffs durch grünen Wasserstoff zu ersetzen. Das alleine ist schon eine gewaltige Herausforderung.

Es gibt viele Bereiche in der chemischen Industrie, bei der Stahlherstellung, gerade wenn hohe Temperaturen benötigt werden, wo heute fossile Brennstoffe eingesetzt werden. Eine Elektrifizierung ist da schwer möglich. Theoretisch kann stattdessen Wasserstoff eingesetzt werden. Auch als Ersatz für heutige Gaskraftwerke ist Wasserstoff im Gespräch, in der Übersee-Schifffahrt sind Wasserstoff-basierte Antriebe möglicherweise eine Alternative zu fossilen Brennstoffen und der ein oder andere träumt von einer „H2-ready“-Heizung im Keller. Theoretisch und teilweise auch prototypisch im praktischen Einsatz sind das alles schöne Visionen. Vom großflächigem praktischen Einsatz sind wir aber noch weit entfernt.

Die Nachfrage ist groß. Grüner Wasserstoff wird nicht ganz zu Unrecht als Champagner der Energiewende bezeichnet, der nur zu ganz besonderen Momenten genossen werden sollte.

Stand heute gibt es praktisch keinen grünen Wasserstoff und das bisschen, das es gibt, ist deutlich teurer als konventioneller grauer Wasserstoff. Trotzdem ist Wasserstoff ein großer Hoffnungsträger und viele Staaten investieren beachtliche Summen in Forschung und Entwicklung und Demonstrationsanlagen. Erste Anlagen, die grünen (oder den nur bedingt CO2-reduzierten blauen) Wasserstoff in industriellem Maßstab herstellen, werden in den nächsten Jahren entstehen. Bis der der derzeitige graue Wasserstoff durch grünen Wasserstoff in großem Maßstab ersetzt werden kann und neue Anwendungsgebiete erschlossen werden können, wird noch viel Zeit ins Land gehen.

Hinzu kommt noch, dass geeignet Standorte zur Erzeugung des notwendigen grünen Stroms z.B. im Mittleren Osten, Afrika, den USA oder Australien liegen. Staaten die heute mit fossilen Rohstoffen eine Menge Geld verdienen. Vordergründig läuten sie mit der Erzeugung von grünem Wasserstoff eine „grüne Transformation“ ein. In vielen Fällen wird Wasserstoff aber ein zusätzlicher Geschäftszweig werden, der keineswegs das angestammte Geschäft mit Öl und Gas ersetzen soll.  

Trotz aller der Vorteile darf mensch nicht vergessen, dass Wasserstoff ein sogenanntes indirektes Treibhausgas ist. Wasserstoff in der Athmosphäre trägt nicht direkt zu Erderwärmung bei, reagiert aber z.B. mit Methan und verlängert dessen Lebensdauer. Es muss also sichergestellt sein, dass – über die gesamte Lieferkette – kein Wasserstoff ungewollt austritt, sonst könnte das die Situation eher noch schlimmer machen, als verbessern.

In Deutschland trommelt die Gaslobby kräftig für Wasserstoff und suggeriert, dass mensch „bald“ Erdgas „einfach so“ durch sauberen Wasserstoff ersetzen könne. LNG-Terminals und Heizungen werden „H2-ready“ gelabelt (was nur sehr bedingt richtig ist), das bestehende umfangreiche Gasnetz könne mit geringem Aufwand auf Wasserstoff umgestellt werden (was nicht der Fall ist) und alles bliebe im Prinzip wie zuvor, würde aber klimaneutral. In weiten Teilen ist das für den Endkonsumenten im besten Fall eine höchst spekulative Wette, für die Betreiber aber eine sichere und gewinnbringende Verfestigung der bestehenden schmutzigen Geschäftsmodelle.

Zusammengefasst: Grüner (mit Hilfe von erneuerbaren Energien aus Wasser gewonnener) Wasserstoff kann in Zukunft (2035 und darüber hinaus) möglicherweise einen wichtigen Beitrag zur Energiewende leisten, bleibt aber knapp und teuer und ist nur dort sinnvoll, wo direkte Elektrifzierung nicht möglich ist.

1 thought on “Was kann Wasserstoff (und was nicht)?

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