Die Letzte Generation (LG) hat auf Sylt ein Flugzeug in knalligem orange markiert. Wie sie bereits angekündigt hatten, will die LG ihren Protest verstärkt auf Reiche – Millionäre und Milliardäre – fokussieren, da diese unverhältnismäßig stark zum Klimawandel beitragen.
In den Medien (z.B. beim Spiegel oder in der ARD) war dann sowas in der Art zu Lesen: „Millionäre und Milliardäre tragen nach Überzeugung der Demonstranten (..)“.
Da stelle ich mir doch die Frage: Wieso „nach Überzeugung der Demonstranten“? Ist das nicht allgemein bekannt und ein anerkannter Fakt, dass „die Reichen“ zu einem ganz überwiegenden Teil die Welt verpesten? Hat nicht Jede:r schon mal gehört, dass die reichsten 10% der Weltbevölkerung fast die Hälfte der CO2-Emissionen verursachen und das reichste 1% sich davon ein ziemlich großes Stück vom Kuchen abschneidet?
Zeit, sich das mal genauer anzusehen. Es gibt eine Menge Studien zum Thema, im Großen und Ganzen kommen sie zu ähnlichen Ergebnissen. Die Zahlen weichen hier und da ein wenig ab, die Grundaussage bleibt aber gleich und – Spoiler – natürlich sind „die Reichen“ überproportional verantwortlich für den CO2-Ausstoss.
Wer sind eigentlich „die Reichen“?
Die reichsten 10%, das reichste 1% oder „die Reichen“ sind erstmal nur vage Einordnungen. Gehöre ich dazu? Gehörst du dazu? Jeff Bezos gehört mit Sicherheit dazu. Aber gehört mein Vermieter, mit seine 17 Immobilien dazu? Wann ist mensch eigentlich „reich“?
Die Credit Suisse schätzt in ihrem „Global Wealth Report 2021“ z.B. dass etwa 1,2% der erwachsenen Weltbevölkerung ein Vermögen von mehr als einer 1 Mio. US$ haben, weitere 11,8% haben mehr als 100.000 US$ – natürlich nicht in Cash in der Hosentasche, sondern auch in Form von Firmen, Aktien, Immobilien oder Autos, Airpods oder (hallo Boomer) Vinyl-Schallplatten.
Das gibt uns schon mal einen ganz guten Anhaltspunkt. Wenn du einen neuen Porsche Cayenne hast und vielleicht noch ein paar RWE Aktien, dann bist du dabei, bei den 10% der „Reichen“. Um in die Oberklasse der 1-Prozenter zu kommen reicht es wenn du von deinen Eltern ein Mehrfamilienhaus in guter Lage, sagen wir in München-Schwabing geerbt hast. Da ist aber natürlich noch ordentlich Luft nach oben. Mit 5-8 Mio US$ gehörst du aber schon zu den 0,1% reichsten Menschen der Welt. Das sind immerhin noch knapp 8 Mio. Menschen.
Die 1,2 Prozent mit mehr als 1 Mio US$ Vermögen besitzen fast 48% des weltweiten Vermögens. Mit anderen Worten: Gut einem Prozent gehört die halbe Welt. Den 11,8% mit mehr als 100.000 US$ gehören weitere 38%.
Die größte Gruppe – Menschen mit weniger als 10.000 US$ – macht über 53% der (erwachsenen) Weltbevölkerung aus. Denen gehört aber gerade mal 1% der Welt.
Rein durchschnittlich gesehen ist jede:r Deutsche reich. Das Durchnittsvermögen pro Kopf liegt in Deutschland über 100.000 €. Allerdings ist es auch in Deutschland so, dass wenige sehr Reiche sehr viel haben und viele fast nichts. Mit 26.000 € gehört Mensch in Deutschland zur vermögenderen Hälfte, 50% haben weniger als das. Den Top 10% in Deutschland gehören 56% des Vermögens, die arme Hälfte hat gerade mal 1,3%.
„Sowohl global als auch in Deutschland gehört ganz wenigen Menschen unglaublich viel und ganz viele Menschen haben sehr wenig“
Wie hängt das jetzt mit dem Klima zusammen?
Es erscheint erstmal logisch: Wer sich kein Auto leisten kann, verbrennt kein Benzin, wer von dem Leben muss, was auf dem langsam vertrocknendem Acker hinterm Haus wächst, wird sich nicht jeden Abend ein Angus Rind grillen und wer einen Privatflieger hat, der ballert mit dem natürlich gelegentlich nach Sylt oder Malle und pustet verbranntes Kerosin in die Luft.
Mit dem Bauchgefühl und der Intuition ist das ja immer so eine Sache. Aber glücklicherweise haben sich auch dem Thema schon ausreichend Forschende gewidmet. Eine Untersuchung aus dem letzten Jahr kommt z.B. zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2019 jeder Mensch durchschnittlich 6 Tonnen CO2-Equivalente (das heißt auch Methan und andere Treibhausgasse) emittiert hat.
(Kleine Erinnerung am Rande: Im Schnitt darf jeder Mensch bis 2050 nicht mehr als 1,9 Tonnen pro Jahr, pro Kopf emittieren, wenn das 1,5 Grad Ziel gehalten werden soll).
Die 6 Tonnen sagen natürlich überhaupt nichts aus, außer dass es viel zu viel ist. Wenn wir uns die Verteilung anschauen wird das klarer.
Die ärmsten 50% der Weltbevölkerung stossen im Schnitt gerade mal 1,4 Tonnen aus. Über die Hälfte der Weltbevölkerung hat also mit dem 1,5 Grad Ziel nichts zu tun und könnte sich lässig zurück lehnen (wenn sie nicht gerade ums Überleben kämpfen würden, weil sie dummerweise auch noch diejenigen sind, die am heftigsten vom Klimawandel betroffen sind).
Bei den Top 10% der reichsten Menschen der Welt sind es 28,7 Tonnen pro Jahr und beim obersten Prozent sogar über 100 Tonnen CO2-Equivalente. Das lässt sich aber immernoch steigern – die Top 0,01% (also grob die 800.000 Reichsten Menschen der Welt) kommen im Schnitt auf 566 Tonnen.
Diese 0,01% Leute sorgen damit für fast 4% der globalen Emissionen – das ist fast soviel wie Russland hat (wobei ein Teil der Russen vermutlich in den 0,01% mit drin ist, aber so genau wollen wir das mal nicht nehmen). 1% der reichsten Menschen kommt auf fast 17% der Emissionen (das sind mehr als die der USA) und die reichsten 10% auf 48% der Emissionen (das ist nur unwesentlich weniger als China, USA und Indien zusammen genommen).
Die reichsten 10% der Menschen sind für fast die Hälfte der globalen Emissionen verantwortlich
Die Zahlen unterscheiden sich noch ziemlich stark nach Region. In Europa blasen die Ärmeren 50% immernoch über 5 Tonnen pro Jahr in die Luft, in Teilen Afrikas kommen die Top 10% gerade mal auf 7,5 Tonnen im Schnitt (und die unteren 50% auf 0,5 Tonnen).
Nun könnte mensch annehmen, die Reichen sind vielleicht diejenigen, die sich mittlerweile Teslas kaufen, Wärmepumpen einbauen und damit ihren „Footprint“ verringern, während die alten Diesel sich weiter stinkend durch die Wüste quälen. Bisher ist davon aber leider nichts zu sehen, ganz im Gegenteil: Seit 1990 sind die weltweiten Emissionen um 50% gestiegen, die pro Kopf Emissionen um 2,3%. Dazu haben die ärmeren 50% zwar überdurchschnittlich beigetragen, den größten Anteil hatten aber die Top 1% (mit 23% des gesamten Wachstums). Superyachten und Privatflieger haben da einen ganz erheblichen Anteil.
Wir stellen also fest: Die Reichsten sind nicht nur für einen grandios hohen Anteil am CO2-Ausstoss verantwortlich, sie sind – zumindest zwischen 1990 und 2019 – auch diejenigen die diesen am meisten gesteigert haben.
Interessanter Nebenaspekt in der Studie ist, dass sich in diesem Zeitraum die Emissionen nur einer Gruppe etwas verringert haben: Grob ist das die Gruppe der 25 bis 5% reichsten Menschen der WeltDaunter fällt ein großer Teil der unteren und mittleren Einkommensgruppen in reichen Ländern. Nun kann mensch spekulieren, woran das liegt. EIn These wäre, dass dies eine Gruppe Menschen ist, die am wenigsten vom neoliberalen Wirtschaftswachstum profitiert hat, der Reiche reicher, aber Arme nicht weniger arm gemacht hat.
Mehr Vermögen führt im Durschnitt zu überproportional mehr CO2-Ausstoss
Und wie geht es weiter?
In einer ganz aktuellen Studie haben Forschende die CO2-Emissionen von Millionären und Milliardären untersucht, und hochgerechnet, wie sich die diese entwickeln (Achtung hier geht es um reine CO2-Emissionen, ohne „Equivalente“, daher sind die Zahlen niedriger als oben). Kurz gesagt die Aussichten sind nicht gut. Die Anzahl der Miilionäre und Milliardäre wird wachsen. Andererseits wird angenommen, dass sich dank neuer Technologien, Elektrifizierung usw… der durchschnittliche CO2-Abdruck auch bei den Reichen deutlich reduzieren wird. Trotzdem werden die Reichen (also Millionäre und aufwärts) bis 2050 kumulativ etwa 286 Gigatonnen CO2 emittieren. Das sind 72% des für das 1,5 Grad Ziel zur Verfügung stehenden Restbudgets. Da bleibt für die restlichen 99% der Menschheit nicht mehr viel übrig. Stellt euch mal vor, ihr macht ein Geburtstagsparty mit 100 Leuten, ihr habt 10 Kisten Bier kalt gestellt und der Dieter trinkt alleine mehr als 7 Kisten. Und wenn Lena auch ein Bier will stehen Christian und Volker im Weg und sagen „Freiheit“.
Es ist nicht nur „die Meinung“ der Letzten Generation, dass die Reichen unverhältnismäßig stark den Klimawandel beeinflussen, sondern es handelt sich um eine wissenschaftlich bewiesene und vielfach überprüfbare Tatsache.
Ob es etwas bringt Privatjets orange anzumalen sei mal dahingestellt, aber die Adressaten sind definitiv die richtigen. Wenn einzelne Superreiche ihren Konsum und ihren Tausend- oder 10-Tausendfachen CO2-Abdruck überdenken ist der Hebel ein ganz anderer, als beim „kleinen Mann“ ein paar Gramm CO2 heraus zu pressen, wobei – zumindest in unseren Breitengraden – auch da noch einiges zu tun ist um auf einen 1,5 oder 2° Pfad zu kommen.