Gibt die Ampel den Klimaschutz auf?

Es gab einige Aufregung als Reaktion auf die Ergebnisse des Koalitionsausschusses. Zu den größten Irritationen hat die Aufhebung der Sektorziele im Klimaschutzgesetz gesorgt – zumindest in der Klimabewegung (also dem immer noch viel zu kleinem Teil der Bevölkerung, der verstanden hat, dass wir weiterhin ziemlich ungebremst auf den Abgrund zu rasen). Auch ich wurde spontan zur Parabel von „Irma und Heinz“ inspiriert.

Aber warum eigentlich? Die Ziele wurden ja nicht aufgegeben. Ganz im Gegenteil, wenn man der Ampel glaubt, können die Ziele eher erreicht werden, wenn mensch gemeinsam auf ein Ziel hin arbeitet, wenn mensch gemeinsam an einem Strang zieht. Teamwork wird in jedem Motivations-Seminar meiner Arbeitgeber:in als Schlüssel zum Erfolg betont. TEAM steht für „Together Everyone Achieves More“, das ist das Credo.

Together Everyone Achieves More

Und wir erleben es quasi täglich selbst. Funktionierende Teams sind enorm erfolgreich. Wieviele Fernsehserien haben wir schon gesehen, in denen eine Gruppe Menschen mit völlig unterschiedlichen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften sich trotz anfänglicher Abneigung oder Feindschaft zusammenrauft und das unmögliche schafft und die Welt vor dem Untergang rettet?

Die Bayern konnten nur weil sie als Mannschaft aufgetreten sind und jeder für jeden mitgearbeitet hat die Superstars um Messi und Mbappé aus der Champions League werfen (dass der Trainer kurz darauf trotzdem entlassen wurde diskutieren wir hier jetzt nicht).

Jede ansatzweise rational denkende Person wir mir zustimmen, dass „Silo-Denken“ in den allermeisten Fällen nicht zu den besten Ergebnissen führt. Wenn unser gemeinsames Ziel ist, einen Kuchen zu backen, macht es wenig Sinn, wenn meine Frau die Philadelphia-Torte optimiert, während ich den besten Schokoguss der Welt zubereite. Genausowenig ist es im Interesse des Klimaschutzes, wenn der Sektor „Energie“ zu 100% auf „grünen“ Wasserstoff setzt. In „Industrie“ und „Gebäude“ aber die Wärmepunpe das Mittel der Wahl ist. Es macht durchaus Sinn als Team zu arbeiten und sich abzustimmen um das gemeinsame Ziel zu erreichen sollte mensch denken.

Toll Ein Anderer Macht’s

Warum reagieren wir dann so empfindlich auch auf die Aufgabe (oder das Aufweichen) der Sektorziele?

Wir alle kennen Volker. Volker ist der, der immer schnell weg muss, wenn wir nach der Party gemeinsam aufräumen, bevor die Eltern nach Hause kommen. Volker sagt nicht „Together Everyone Achieves More“, Volker sagt „Toll Ein Anderer Macht´s“. Volker fühlt sich wie Mbappé (für die Abwehr sind andere zuständig) ist vor dem Tor aber Timo Werner, der das leere Tor nicht trifft. Volker ist Spinat in der Philadelphia-Torte, mit Volker will keiner spielen. Und wenn Volker mit im Team ist, kann man sich darauf verlassen, dass man verliert.

„Verantwortungsdiffusion“ wird das Problem im Management-Seminar genannt. Wenn die Verantwortungen nicht mehr klar geregelt sind, wird alles vage und beliebig. Die guten Leistungen werden nicht mehr gewürdigt, die Low-Performer können sich verstecken. Wenn immer nur Katharina die Kaffeeküche aufräumt und alle anderen die schmutzigen Tassen stehen lassen, wird Katharina auch irgendwann die Lust verlieren. Wenn Volker weiter lieber für seine 3 Fans dribbelt und sich nicht am Mannschaftsspiel beteiligt muss er ausgewechselt werden.

Wenn mensch dieser „Fortschrittskoalition“ zutrauen würde, dass sie wirklich an einem Strang ziehen und auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten würden, wäre die Aufweichung der Sektorziele eine Randnotiz, vielleicht sogar ein positiver Beitrag zum „Wir-Gefühl“. Die Erfahrung lehrt leider anderes. Wenn die „Leistung muss sich lohnen“-Partei die nicht-Leistung belohnt, wenn der „Klimakanzler“ (wo habe ich eigentlich das Kleingedruckte übersehen?) das Vage und Diffuse fördert und wenn die zweitgrößte Fraktion sich mit Almosen abspeisen lässt, dann lässt sich die eingangs gestellte Frage schnell beantworten. Ein Krümelchen hier ein bisschen Greenwashing da, aber im Großen und Ganzen „weiter so“. Die Ampel gibt den Klimaschutz nicht auf. Sie hat nie ernsthaft damit begonnen und daran wird sich auch nichts ändern.